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15.06.2023
Technologie

Dominikus Zimmerer | Software-Architekt

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Synchrones Order Management
Was steckt dahinter?

Ob als B2B- oder B2C-Kunde, wenn man online etwas bestellen möchte, ist es von Vorteil und auch gängige Praxis, wichtige Details wie z.B. die Verfügbarkeit oder spezifische Preise der entsprechenden Waren oder Services direkt im Bestellprozess angezeigt zu bekommen. 

Je komplexer die Produkte, Services und Kundenbeziehungen sind, desto wichtiger wird es für einen gesamtheitlich digitalen Bestellprozess, dass die relevanten Informationen und Verarbeitungsschritte sowohl vollständig abgebildet als auch aktuell sind. 

Im klassischen „Asynchronen Order Management“ müssen dazu nicht nur sehr viele Informationen aufwändig in das relevante Shop-System transferiert, sondern auch komplexe Strukturen und Mechanismen wie z.B. die Preisfindung analog zu den Verträgen mit B2B-Kunden berücksichtigt werden.

Was kann „Synchrones Order Management“? 

Ein Order Management System, egal ob synchron oder asynchron, ist allgemein dafür zuständig, dass digital erzeugte Bestellungen verarbeitet und die bestellten Produkte und Services an den Kunden geliefert werden. Es koordiniert damit primär alle Prozesse nach dem Check-Out.  

Die Standardfunktionen stellen dabei aber nur einen Teil der Schritte in einem digitalen Bestellprozess dar und sollten mit den vor- und nachgelagerten Prozessen direkt und ohne Informationsverlust Hand in Hand gehen. Je nachdem wie komplex der Bestellprozess gestaltet ist, können dabei auch weitere Faktoren wie Mitarbeiter, innerbetriebliche Abläufe sowie Partnerunternehmen oder Lieferanten beteiligt sein.  

Möchte man all die Funktionen und Informationen in einem asynchronen Prozess nachbilden, so müsste man sie dazu aus den führenden Systemen nachbilden und im Shopsystem parallel implementieren und die Informationen aus diesen Systemen auch immer aktuell halten. 

Da vor allem im B2B-Bereich die Funktionen und Informationen sehr vielschichtig gestaltet sein können (z.B. komplexe Preisfindung, aufwändige Ermittlung der Bestands- bzw. Produktionsinformationen, zusätzliche inhaltliche Prüfungen und Anhängigkeiten) und diese häufig zu großen Teilen oder komplett im verbundenen ERP- oder CRM-System abgebildet sind, bietet sich hier eine synchrone Integration der beteiligten Systeme an. 

Diese Systeme haben einen Überblick über Informationen wie zum Beispiel die Kundendaten, die Bestellungen inkl. Rechnungen, das Fulfillment, die Lagerbestände und den Kundenservice, aber auch über die Produktion bzw. die Beschaffung der relevanten Produkte.  

Ob das Order Management System alle relevanten Informationen für den Beteiligten auf einer einheitlichen Plattform selbst zur Verfügung stellt oder als Funktion in einem führenden System wie einem ERP integriert ist, spielt dabei für die grundsätzliche Lösung keine Rolle. 

Im B2C-Bereich ist häufiger eine asynchrone Integration anzutreffen, da hier die verarbeiteten Informationen in der Regel kundenunabhängig und längerfristig gültig sind. Ausnahmen stellen hier zum Beispiel die Verfügbarkeiten der Produkte dar. Häufig werden diese zyklisch importiert, anstatt in Echtzeit abgefragt zu werden. Mögliche Vorteile wie die Preiskalkulation sind hier auch eher aus Sicht einer Marketing-Integration als die individueller Kundenverträge zu bewerten.  
 

Wie kann ein synchroner Bestellprozess aussehen?  

Für das Architekturbeispiel und den nachfolgenden Show Case nehmen wir eine Shop Lösung basierend auf dem SAP Commerce und einem SAP ERP System an. 

Nutzt ein Kunde in dieser Lösung den Shop, so meldet er sich zunächst an und sucht sich seine Produkte im Katalog des Systems aus. Alle Katalogdaten werden dabei häufig direkt in das Shopsystem importiert und der Kunde sieht zunächst nur Listenpreise und grobe Lieferfristen oder Wiederbeschaffungszeiträume. Eine Abfrage von „Echtzeitdaten“ der Verfügbarkeit findet häufig nicht statt. Auf einer Produktdetailseite kann der Nutzer nun ein Produkt in den Warenkorb legen. 

Als nun wesentliches Merkmal des „Synchronen Order Management“ legt der Kunde die Produkte dabei nicht in den Warenkorb des Shops, sondern erzeugt über den Aufruf einer Schnittstelle einen Warenkorb im angebundenen ERP-System. In dem ERP-System erfolgt dann anschließend die Anlage einer entsprechenden Bestellposition analog zu einer manuellen Anlage im SAP. Auf Grundlage aller im SAP ERP hinterlegten Daten können relevante Funktionen (wie beispielsweise die Prüfung der Verfügbarkeit und Preisermittlung) direkt und automatisch ausgeführt werden. 

Der nun im SAP komplett berechnete Warenkorb wird anschließend als Ergebnis über diese Schnittstelle an des Shop-System zurückgegeben und dem Kunden dort angezeigt. Im Shop System muss dabei zu keiner Zeit ein Warenkorb erzeugt werden. Bei jeder Änderung des Warenkorbes wird zwischen SAP Commerce und SAP Backend eine Verbindung hergestellt und der im SAP ERP aktualisierte Warenkorb an den Shop zurückgegeben. Treten Fehler bei der Verarbeitung im SAP auf (z.B. ein komplexes Produkt kann nicht wie gewünscht produziert oder geliefert werden), so können diese direkt dem Nutzer angezeigt werden, so dass er auf diese reagieren kann. 

Wird der Warenkorb dann vom Kunden bestellt, so wird direkt ein Auftrag im SAP erzeugt. Alle relevanten Prüfungen wurden bereits erfolgreich ausgeführt und im Regelfall sollten keine Probleme bei der Verarbeitung der Bestellung mehr auftreten. 

Alle Warenkörbe und Bestellungen, die im SAP gespeichert sind, können mittels der Kundennummer auch wieder abgefragt werden. Auf diesem Weg können sowohl die Historie der Bestellungen als auch offene Warenkörbe abgefragt werden. 

Herausforderungen eines synchronen Bestellprozesses 

Auch wenn durch die direkte Verbindung der Vorteil besteht, alle Daten immer auf dem neusten Stand zu haben, so kommt dadurch eine Abhängigkeit zwischen SAP Commerce und SAP ERP Backend zustande, die ggf. durch zusätzliche Mechanismen minimiert, jedoch nie komplett verhindert werden kann. Das führt möglicherweise zu einer Einschränkung in der Verfügbarkeit der Funktionen des Shop-Systems. 

Weiter kann bei häufiger Änderung des Warenkorbs mit komplexen Produkten oder aufwändiger Preiskalkulationen die Last auf dem SAP-System steigen und sich die Antwortzeiten der Funktionen erhöhen.  

Fazit – Wann ist „Synchrones Order Management“ interessant? 

Grundsätzlich sprechen einige Faktoren für den Einsatz eines synchronen Order Managements. 

  1. Vermeidung der Redundanz komplexer Kalkulationsmodelle, die bereits im ERP vorhanden sind (Preise, Verfügbarkeit, Validierungen, etc.) 
  2. Prüfung produktionsrelevanter Abhängigkeiten innerhalb einer Bestellung 
  3. Konsistenz über unterschiedliche Eingangskanäle sicherstellen 
  4. Sicherung einer hohen Verlässlichkeit bzw. Qualität der für den Bestellprozess relevanten Daten  

Es muss abgewogen werden, ob die oben beschriebenen Einschränkungen und möglichen Nachteile gegen einen möglichen Einsatz des Architekturansatzes sprechen. 

Show Case Flender 

Flender ist ein Getriebehersteller, der sich auf Lösungen für alle Anforderungen an mechanische Antriebstechnik in Industrie- und Rohstoffgewinnung für unterschiedliche Branchen spezialisiert hat. (Zitat flender.com) 2001 wurde zusätzlich das Unternehmen “Winergy” gegründet, welches Getriebe, Generatoren und Services für Windkraftanlagen für ihre Kunden bereitstellt.  

Die Telekom MMS ist seit 2017 in enger Zusammenarbeit mit den beiden Unternehmen. Es wurde ein Kundenportal auf Basis des SAP Commerce (ehem. Hybris) Shop-Systems entwickelt, das den direkten Kommunikationskanal und Shop für alle Kunden weltweit darstellt. 

Den Kunden und Partnern ermöglicht die Lösung, eine direkte Auswahl von Produkten und individuellen Konfigurationen mit wenigen Schritten durchzuführen. Das Synchron-Order-Management-System überprüft automatisch, ob gefragte Konfigurationen möglich sind oder ob die individuelle Bestellung vom Lager bestellbar ist, bestimmt die kundenspezifischen Preise und bietet den Nutzern über die Aggregierung relevanter Informationen weitergehende Services an.  

Sicht des internen Vertriebs  

Hinter den Produktangeboten stehen mehrere Prozesse. Beispielsweise laufen individuelle Anfragen, Bestellungsprozesse, Ersatzteilsuche und Services mittels digitalisierter Lösungen ab, welche die vom Kunden angefragten Angebote speichern und den Warenkorb rechtzeitig aktualisieren.  

Das Besondere bei der Lösung im Portal ist, dass dies direkt synchron mit SAP erfolgt und die Verbindung von Webshop mit CPQ viele der manuellen Prozesse aus der Vergangenheit automatisiert hat. Vertriebsmitarbeiter können über optimierte Funktionen im Portal direkt Angebote für deren Kunden erstellen und freigeben. Sie nutzen dabei dieselben Daten, die auch im SAP vorliegen. Dies entlastet den internen Vertrieb und der Kunde bekommt schneller eine individuelle Lösung für seine Anliegen.  

Anfrageprozess – Von der Idee zur Bestellung 

Die Anfragen vom Kunden können über unterschiedliche Kanäle (z.B. über direkte Kontaktaufnahme, im SAP als manuelle Belegeingabe oder über ein CRM-Tool) gesammelt werden. Wichtig ist dabei, dass die Angebote auf Basis solcher Anfragen direkt aus dem Portal generiert werden können.  

Für den Vertrieb wurde dafür die Portalfunktion “Webquote” implementiert, in der die Mitarbeiter Angebote einfach erstellen und bearbeiten können. Dabei werden die wichtigsten Informationen der Kunden erfasst (z.B. direkt aus dem CRM), die relevanten Produkte gesammelt und mit zusätzlichen Leistungen zusammengefasst.

Die Synchrone-Order-Management-Architektur bedingt dabei, dass nachdem der Nutzer die gewünschten Produkte auf der Webseite konfiguriert hat, das Ergebnis direkt im SAP als Angebot abgelegt wird. So wird der ganze Vertriebsprozess vereinheitlicht und digitalisiert.  

Wurde das von Vertriebsmitarbeitern erstellte Angebot fertig gestellt, d.h. alle für eine nachfolgende Annahme und Bestellung des Angebots durch den Kunden notwendigen Informationen sind hinterlegt, so kann das Angebot im SAP oder im Portal entsprechend markiert werden. Durch diese Markierung wird dem Kunden dann bei der Anzeige seiner Angebote dieses neu markierte auch sofort mit aufgelistet. Er kann die Angebotsdetails dort dann direkt einsehen und ggf. das Angebot auch annehmen und bestellen. 

Im Portal oder SAP erstellte und bearbeitete Angebote können Flender beim Erreichen eines ausreichenden Reifegrades markiert werden, so dass dieses einem Kunden ebenfalls im Portal direkt mit angezeigt werden. 

Sicht des Kunden 

Kunden können im Flender Portal entweder selbst Warenkörbe erstellen und bestellen, oder für sie erstellte Angebote annehmen, in einen Warenkorb überführen und ebenfalls bestellen. 

Erstellt ein Kunde selbst im Portal einen Warenkorb, so werden auch hier nur die Informationen dargestellt. Die Speicherung von Warenkörben und Bestellungen erfolgt analog zu den Angeboten direkt synchron im SAP ERP. Jegliche Kalkulation des Warenkorbes erfolgt dabei wie für die Angebote direkt im SAP durch die dort hinterlegten Informationen und Konditionen. 

Als klassische Shop-Funktion haben Kunden im Portal auch die Möglichkeit laufende und abgeschlossene Bestellungen, sowie deren Details (wie z.B. Produktions- und Lieferfortschritt) einzusehen. Auch hier werden die Informationen direkt aus dem SAP geladen und sind daher aktuell und ohne manuelle Schritte direkt für den Nutzer verfügbar.  

Fazit für Flender 

Die Umsetzung des gesamten Angebots- und Bestellprozesses über eine synchrone Order Management Integration führte bei Flender zu mehreren positiven Entwicklungen, u.a. wurden folgende Effekte erreicht: 

  1. Der Prozess von der Anfrage über ein Angebot bis hin zur Bestellung konnte weitestgehend ohne Medienbruch digitalisiert werden.
  2. Die Qualität der erstellten Angebote hat sich erhöht, da die erstellten Angebote inhaltlich von der danach bearbeiteten Bestellung nicht mehr abweichen.
  3. Die Akzeptanz der Prozesse durch die Vertriebsmitarbeiter hat sich erhöht, da die implementierte Lösung den Workflow der Mitarbeiter bei der Ermittlung oder Eingabe von Informationen oder bei der Vermeidung von Fehlern unterstützt. 
  4. In einigen Fällen konnte die Bearbeitungszeit von Angeboten erheblich verkürzt werden, da aufwändige Abstimmungs- und Pflegeschritte in unterschiedlichen Systemen entweder entfallen sind oder verbessert wurden. 



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